Mit den Eltern über Pflege sprechen – Widerstände erkennen und behutsam überwinden

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10. Juli 2025

Viele erwachsene Kinder spüren es zuerst intuitiv: Die Mutter wirkt unsicher beim Gehen, der Vater vergisst vermehrt Termine – oder das Haus bleibt ungewohnt unaufgeräumt. Und doch scheuen sich viele davor, das Thema Pflege oder Betreuung offen anzusprechen. Denn genau hier liegt eine emotionale Schwelle: Was passiert, wenn ich meinem Elternteil sagen muss, dass er Hilfe braucht? Wird er verletzt, wütend oder enttäuscht reagieren? Solche Gespräche sind oft mit Ängsten auf beiden Seiten verbunden – und genau deshalb ist es wichtig, sie nicht aufzuschieben. In diesem Artikel erfahren Sie, welche typischen Widerstände es gibt, wie Sie sich auf das Gespräch vorbereiten und wie Sie Vertrauen statt Abwehr erzeugen.


Warum Gespräche über Pflege so schwerfallen

Für viele Senioren ist der Gedanke, Hilfe zu benötigen, mit einem tiefen Verlust verbunden – von Selbstständigkeit, Kontrolle und Würde. Sie haben ein Leben lang Entscheidungen getroffen, Familien versorgt, Verantwortung getragen. Wenn jetzt plötzlich der eigene Sohn oder die Tochter vorschlägt, dass jemand von außen hilft, kann das als Kritik oder Entmachtung empfunden werden – selbst wenn die Absicht liebevoll ist.

Typische innere Reaktionen von Senioren können sein: „Ich bin doch nicht hilflos!“ „Ihr wollt mich ins Heim stecken.“ „Ich komme schon alleine zurecht.“ Diese Aussagen sind kein Zeichen von Trotz – sondern Ausdruck von Angst, Stolz und einem nachvollziehbaren Wunsch nach Autonomie.


Der richtige Zeitpunkt und Rahmen

Es gibt keinen perfekten Moment – aber viele ungeeignete. Zwischen Tür und Angel, im Streit oder unter Zeitdruck sollte ein solches Gespräch nicht stattfinden.

Besser ist:

  • ein ruhiger, vertrauter Rahmen (z. B. bei Kaffee oder Spaziergang)

  • ausreichend Zeit, um zuzuhören

  • keine anderen Personen ohne Absprache dabei

Bereiten Sie sich innerlich vor. Überlegen Sie sich konkrete Beispiele, die Sie beobachtet haben – ohne zu dramatisieren. Ein ruhiger, respektvoller Ton ist der Schlüssel.


So gelingt der Einstieg – mit Empathie statt Vorwurf

Beginnen Sie mit Ich-Botschaften, nicht mit Vorwürfen. Zeigen Sie, dass es um Ihre Sorge geht – nicht um Kontrolle.

Beispiel: „Mama, mir ist aufgefallen, dass du in letzter Zeit oft müde wirkst. Ich mache mir Sorgen – gibt es etwas, wobei ich dich unterstützen kann?“

Statt: „Du schaffst das doch alles nicht mehr alleine.“

Fragen Sie offen:

„Wie fühlst du dich im Alltag?“

„Was fällt dir schwer, was klappt gut?“

„Hättest du etwas dagegen, wenn dich jemand im Haushalt unterstützt – nur ein paar Stunden die Woche?“

Manchmal ist der erste Schritt nicht sofort eine Betreuungskraft, sondern z. B. ein ambulanter Dienst oder eine Haushaltshilfe. Kleine Lösungen sind oft der bessere Einstieg als große Veränderungen.


Widerstände respektieren – aber nicht kapitulieren

Wenn der Elternteil ablehnt, nicht reden will oder das Thema abwiegelt – bleiben Sie ruhig. Ablehnung bedeutet nicht automatisch Nein für immer. Oft braucht es Zeit, Vertrauen und Wiederholung. Drängen Sie nicht, aber bleiben Sie präsent.

Zeigen Sie: „Ich bin da, wenn du soweit bist.“ In manchen Fällen helfen auch neutrale Personen – Hausarzt, Nachbar, Seelsorger – die das Thema sensibel anstoßen können.

Wichtig: Beziehen Sie den Elternteil ein. Niemand will übergangen werden. Fragen Sie, was ihm oder ihr wichtig ist. Bieten Sie Lösungen an, nicht Entscheidungen.


Wenn das Gespräch gelingt: neue Nähe entsteht

Ein gelungenes Gespräch über Pflege ist oft ein Wendepunkt – nicht nur für die Organisation des Alltags, sondern auch für die Beziehung. Wenn der Elternteil merkt, dass es nicht um Kontrolle, sondern um Fürsorge geht, entsteht ein neues Vertrauen. Viele Familien berichten, dass durch die Einbindung einer liebevollen Betreuungskraft wieder Alltag, Leichtigkeit und Sicherheit möglich wurden – ohne, dass der Elternteil sich entmündigt fühlte.


Fazit: Offenheit mit Respekt ist der beste Weg

Das Gespräch über Pflege ist nie einfach – aber notwendig. Mit Empathie, Geduld und ehrlichem Interesse gelingt es, Brücken zu bauen. Machen Sie deutlich: Es geht nicht darum, etwas wegzunehmen – sondern darum, etwas zu geben: Zeit, Sicherheit und Würde. Und wenn Sie Unterstützung brauchen – gute Agenturen begleiten nicht nur Senioren, sondern auch Familien auf diesem Weg.

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